Grünes Klassenzimmer HSWT: Schulkinder erfahren und be"greifen" Natur an der grünen Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

  • Datum: 22.07.2019
  • Autor: Ingrid Süß-Spachmann, Franziska Kohlrausch und Gerhard Radlmayr
Was blüht und summt denn da?

Bildung für Kinder geht am einprägsamsten und nachhaltigsten über unmittelbare Erfahrung, also beobachten, betasten, schmecken und riechen: hier passiert ein Be"greifen". Der Wissenstransfer an Hochschulen öffnet sich in modernen Zeiten mehr und mehr der interessierten Bevölkerung, darunter z. B. auch Schulklassen. Vizepräsident für Forschung und Wissenstransfer Prof. Dr. Markus Reinke von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) betont die Wichtigkeit dieser sogenannten Third Mission und engagiert sich neben der verstärkten Initiierung von Veranstaltungen in dieser Richtung höchstpersönlich. Nachdem er vor kurzem für eine Oberstufenklasse eines Landshuter Gymnasiums im Rahmen eines Schul-Umwelttages eine Geländeexkursion mit Wissensvermittlung im Bereich Biodiversität und Klimawandel durchgeführt hatte, waren es nun Freisinger Grundschulkinder, die er mit den Besonderheiten einer artenreichen Wiese vertraut machte.

Insgesamt waren im Zeitraum Februar bis Juli 19 Schulklassen mit insgesamt 400 Kindern zu Gast am Campus der HSWT.

Grundschulkinder erkunden mit dem Professor die Wiese

Mit der Frage "Was wisst ihr über die Wiese" startete Landschaftsplaner und Naturschutzexperte Prof. Dr. Markus Reinke seine Führung. "Damit die Bienen was zum Fressen haben", war die Antwort einer Schülerin. Dass auch Kühe, Pferde und andere Tiere einen Teil ihrer Nahrung aus der Wiese beziehen, kam bei weiterem Nachfragen. Die Kinder hatten dazu die Aufgabe bekommen, Blumen und Gräser zu pflücken, die hinterher gemeinsam mit dem Professor bestimmt wurden. Mithilfe von kindgerechter Sprache und anschaulichen Bildern ordnete dieser die gesammelten Pflanzen z. B. in solche, die Kühen gut schmecken, "weil sie nicht hart sind" oder in solche, die vielleicht eher für Pferde geeignet sind. Er wies auf besondere Merkmale hin, an denen man die Pflanzen erkennen kann. So wurde zum Beispiel eine Pflanze mit löwenzahnähnlichen Blättern, die jedoch nicht die Blüten eines Löwenzahns hatte, als löwenzahnblättriger Pippau identifiziert. Die Schulkinder lernten ferner, dass bestimmte Wiesen nur einmal im Jahr gemäht werden, da viele Insekten auf die Blütennahrung der Wiesenblüten angewiesen sind. Die Entdeckung eines Mauselochs am Rand der Wiese durch eine Schülerin verknüpfte der Landschaftsökologe mit dem Hinweis, dass Tiere ihre Nester und Rückzugsorte mit Bedacht wählen, um nicht gefressen zu werden. "Am Rand der Wiese findet die Eule ihre Beute nicht so gut wie auf freier Fläche", so der geduldige Naturlehrer. Mit dieser Art der Naturerfahrung wurde den Schülerinnen und Schülern um einiges klarer, wie wichtig der Lebensraum Wiese für Pflanzen und Tiere ist.

Mit dem Tierökologie-Professor und dem Klopfschirm auf Insektensuche

Anfang Juli hatte Prof. Dr. Christoph Moning zwei erste Klassen aus der Paul-Gerhardt Grundschule zu Gast. Im Hörsaal stellte der Professor für Zoologie und Tierökologie den Kindern die verschiedenen Insektengruppen mit den wichtigsten Unterscheidungsmerkmalen vor. Zur Vorbereitung für die Geländeexkursion durften die Kinder die prägnantesten Unterscheidungsmerkmale und Charakteristika auf schematischen Zeichnungen bunt anmalen. Spannend fanden die Kinder besonders so lustige Namen wie Borstenschwänze für eine Spezies von Urinsekten, zu denen die Silberfische zählen und die es bereits zu Zeiten der Dinosaurier gab.

Die Grundschulklassen durften anschließend mit dem Professor ins Gelände, um dort vor allem etwas über die Auswirkungen von menschlichen Eingriffen in die Natur zu erfahren. Prof. Moning, ein leidenschaftlicher Ornithologe, erklärte den Kindern z. B., wie sehr sich ein Rückgang der Insektenvielfalt auch auf einen Rückgang bei den heimischen Vögeln auswirke. Die Kinder hatten die Aufgabe, Insektengruppen nach Ihren Merkmalen zu bestimmen. Mit großem Elan fingen die Schulkinder Insekten in artenreichem Grünland auf dem Campusgelände. Überrascht zeigte sich Prof. Moning von der schnellen Auffassungsgabe der Kinder, die schon nach einer halben Stunde sicher Wanzen von Zikaden und Käfern unterscheiden konnten. Ohne Scheu nahmen die Kinder unsere sechsbeinigen Mitgeschöpfe auf die Hand und konnten aus nächster Nähe erfahren, wie vielfältig unsere Wiesen sein können. Am Ende des Kurses fiel es den Kindern nicht schwer, die Vielfalt der Kräuter und Blumen als Lebensgrundlage für eine vielgestaltige Insektenwelt zu identifizieren.

Kindgerechte Erlebnisführung im Weihenstephaner Kleingarten mit Genussfaktor

Auch die "kultivierte Natur" kann bunt und vielfältig sein. Das vermittelte Katrin Kell, die "Chefin" des Weihenstephaner Kleingartens für Gemüse, Freisinger Grundschulkindern im sommerlichen Garten. Die Zweit-, Dritt- und Viertklässler der Grundschulen Vötting, St. Korbinian und Paul-Gerhardt waren mit Interesse und Aufmerksamkeit bei der Sache, als ihnen die Gartenexpertin die Vielfalt an Kräutern näherbrachte. Erfahrungsmöglichkeiten mit allen Sinnen, eine bildreiche Sprache und lustige Ratespiele ließen keinerlei Langeweile bei den Kindern aufkommen. "Wer findet heraus, welche Kräuter man in der Küche und welche man als Duftkräuter verwendet?" Allein die Beschäftigung mit dieser Frage mobilisierte die Aufmerksamkeit und den Tatendrang der Schulkinder. Ob die Kinder allerdings das vorgestellte große Anbauspektrum von (A)maranth bis (Z)uckermelone zuhause noch aufzählen konnten, sei dahingestellt. Doch so den einen oder anderen Wiedererkennungseffekt im elterlichen Garten oder in einem Schulgarten wird es gewiss geben.

Dass es auch in Pflanzenfamilien um "Teamarbeit" gehe, verdeutlichte Katrin Kell den Kindern am Beispiel der Pflanzenfamilie Fabaceae (Hülsenfrüchtler). Zu diesen gehören auch Bohnen und Erbsen. Die Gemüsebauexpertin erklärte kindgerecht anhand der Wurzeln einer Ackerbohne, dass die kleinen weißen Punkte auf den Wurzeln Knöllchenbakterien heißen, Stickstoff aus der Luft binden können und auf diese Weise  andere Pflanzen im Umkreis "ernähren". Spannend fanden die Kinder auch den Anbau verschiedener Gemüse in den Gewächshäusern, eine Welt, die ihnen noch weniger vertraut sein dürfte als ein Gemüsegarten. Dass dort Zuckermelonen, Wassermelonen und Tomaten nicht nur direkt in der Erde, sondern auch in Säcken mit Erde angebaut werden, war sicherlich für viele Kinder völlig neu. Damit die Kinder einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Anbau, Ernte und dem Essen von Obst und Gemüse erfahren konnten, durften sie zum Abschluss der Führung verschiedenes Beerenobst sowie frisch im Gewächshaus geerntete Melonen und Gurken kosten. Es wäre interessant zu erfahren, inwieweit vielleicht dieser unmittelbare Bezug zu einem frischen, gerade geernteten "Lebens"mittel beim nächsten Supermarktbesuch der Kinder mit ihren Eltern deren Wahrnehmung dort beeinflusst.

Weitere Aktionen im Jahr 2019 auf dem Gebiet der "Third Mission" am Zentrum für Forschung und Wissenstransfer (ZFW)

... für Kinder/Schülerinnen und Schüler

... für Erwachsene / Bürgerinnen und Bürger

  • Der Landschaftsökologe und Familienvater Prof. Dr. Markus Reinke in seinem Element
    Der Landschaftsökologe und Familienvater Prof. Dr. Markus Reinke in seinem Element
  • Mitmach-Begeisterung bei den Schulkindern
    Mitmach-Begeisterung bei den Schulkindern
  • "Die Tomaten wachsen ja doch nicht im Supermarkt"
    "Die Melonen wachsen ja doch nicht im Supermarkt"
  • "So hätte ich mir eine Artischocke nicht vorgestellt"
    "So hätte ich mir eine Artischocke nicht vorgestellt"
  • Melonen und Tomaten frisch vom Gewächshaus auf den Teller
    Melonen und Tomaten frisch vom Gewächshaus auf den Teller
  • Prof. Dr. Christoph Moning mit den Erstklässlern unterwegs auf Insektensuche
    Prof. Dr. Christoph Moning mit den Erstklässlern unterwegs auf Insektensuche
  • Der Zoologe und Tierökologe Prof. Dr. Christoph Moning freut sich auf das Unterrichtsmodul für Erstklässler auf dem Gelände der HSWT
    Der Zoologe und Tierökologe Prof. Dr. Christoph Moning freut sich auf das Unterrichtsmodul für Erstklässler auf dem Gelände der HSWT
  • Gemeinsame Auswertung der Insektenbeute mit dem Klopfschirm
    Gemeinsame Auswertung der Insektenbeute mit dem Klopfschirm

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