• Laufzeit: 01.04.2020 – 28.02.2023
  • Schwerpunkt: Umweltvorsorge
  • Forschungsstatus:  Abgeschlossen

Erforschung und Entwicklung eines NH3‐abbauenden Pilz‐Bakterienbiofilms und eines Biofilm‐Startersets mit Nähr‐Pufferlösung zur Aktivierung des gefriergetrockneten Startersets bei Inbetriebnahme des Fermenters (BIOFAM)

Die erheblichen Mengen an Ammoniak und Feinstaub von 0,02 - 0,06 kg Feinstaub/Tierplatz/Jahr in Geflügelställen tragen signifikant zur Verringerung der Luftqualität in Deutschland bei. Durch den steigenden Geflügelfleischkonsum und den damit verbundenen Anstieg der Geflügelstallzahl wird deren Filterung an Bedeutung gewinnen. Die Leistung aktueller Filteranlagen von ca. 40 µg/m³ überschreitet die Zielwerte der EU von 25 µg/m³ erheblich. Ammoniak kann nur teilweise gefiltert werden. Biorieselbettreaktoren können Abgase binden und verstoffwechseln, die belebte Einheit ist aber sensibel gegenüber prozessinduzierten Schwankungen, wodurch ein definierter Filtrationsprozess nicht möglich ist. Ziel des vorliegenden Projektes war die Entwicklung einer Biorieselbettreaktoranlage mit Bakterien-Pilz-Biofilm sowie einer innovativen Filter- und Belüftungstechnik zur gezielten, quantifizierbaren Filterung von Ammoniak und Feinstaub. Ein spezieller Regelkreis mit Vorwäscher und mehrstufiger Filtertechnik sollte Abfallstoffe aus Abluft und Fermenter recyceln und ein nachhaltiges System schaffen. Durch bodengängigen Luftabzug wird die Feinstaubentstehung am Entstehungsort gedrosselt.

Hintergrund

Geflügel zählt neben Rind und Schwein zu den beliebtesten Fleischsorten in Deutschland. Dabei besitzen Masthähnchen mit einem Anteil von 70 % am gesamten Geflügelfleischverbrauch der Deutschen die größte wirtschaftliche Bedeutung. Der Konsum von Hähnchenfleisch weist sowohl in Deutschland als auch weltweit eine steigende Tendenz auf. Beispielsweise hat sich der globale Verbrauch von Hähnchenfleisch in den Jahren 2010 bis 2021 von 77,2 Millionen Tonnen auf 96,6 Millionen Tonnen pro Jahr erhöht. Dieser steigende Bedarf und die damit verbundene erhöhte Anzahl an Hühnern erfordert immer größere Mastbetriebe, die aufgrund der Emission von Schadstoffen negative Konsequenzen für Mensch und Umwelt haben können. Aus den Ausscheidungsprodukten der Nutztiere wird unter anderem Ammoniak freigesetzt, das bei Säugetieren eine reizende und ätzende Wirkung besitzt. Außerdem trägt das stechend riechende Gas zu unerwünschter Eutrophierung bei und beeinträchtigt zahlreiche Stoffkreisläufe von Ökosystemen. Nach der Freisetzung im Geflügelstall bildet Ammoniak durch Reaktion mit weiteren Luftschadstoffen Feinstaubpartikel, die nach dem Einatmen schwerwiegende gesundheitliche Folgen wie chronische Entzündungen verursachen können. Zur Absaugung der Abluft dienen nach aktuellem Stand der Technik meist Ventilatoren, die auf dem Dach des Geflügelstalls angeordnet sind. Dadurch kommen die Tiere permanent mit Schadstoffen wie Ammoniak aus dem nach oben geleiteten Abluftstrom in Kontakt. Aufgrund der Scharrbewegungen der Hühner treten jedoch vor allem am Stallboden kritische Aerosole auf.

Biorieselbettreaktorsystem (Pilotanlage) im Biotechnikum der HSWT © Julian Eckert
Lavastein ohne Biofilm unter dem Digitalmikroskop © Julian Eckert

Entwicklung eines innovativen Biorieselbettreaktorsystems für Mastgeflügelställe

Zur Vermeidung von negativen Konsequenzen für Menschen, Tiere und Umwelt ist eine Reinigung der Abluft von Mastbetrieben unabdingbar. Als nachhaltige Alternative zu konventionellen Abluftreinigungsverfahren wurde in Kooperation mit der IDS Miesbach GmbH und der Klimax Lüftungs- und Klimaanlagen GmbH & Co. KG ein innovatives Biorieselbettreaktorsystem für Mastgeflügelställe entwickelt. Durch Kombination mit einer bodennahen Absaugung werden dabei schadstoffhaltige Aerosole unmittelbar am Entstehungsort entfernt und im Anschluss biologisch abgebaut.

Die Geruchsbelästigung durch gasförmiges Ammoniak lässt sich vollständig verhindern, da der Schadstoff den Bakterien und Pilzen im Biorieselbettreaktor als Stickstoffquelle dient und verstoffwechselt wird. Dabei nutzen die Mikroorganismen innerhalb des Biorieselbettreaktors Ammoniak bzw. Ammonium-Ionen in gelöster Form, um die Grundbausteine für lebenswichtige Proteine und DNA herzustellen. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden auf Basis einer Literaturrecherche zunächst verschiedene Bakterien- und Pilzarten ausgewählt, die grundsätzlich für den biologischen Abbauprozess geeignet sind. Im Anschluss erfolgte durch Laborexperimente ein Vergleich der Arten anhand der Schadstoffabbaurate und des Wachstumsverhaltens, um die besten Vertreter der Bakterien und Pilze zur Gewährleistung optimaler Prozessparameter zu selektieren. Dabei wurde insbesondere darauf geachtet, dass die selektierten Mikroorganismen in Symbiose leben und sich gegenseitig weder in ihrem Wachstum noch im Schadstoffabbauverhalten negativ beeinflussen.

Lavastein mit feuchtem Biofilm unter dem Digitalmikroskop © Julian Eckert
Modellgeflügelstall mit Luftführungssystem zur bodennahen Absaugung © Julian Eckert

Experimente mit einer Pilotanlage

Nachdem die selektierten Arten einen Biofilm auf einem porösen Trägermaterial (Lavasteine) bilden, sind diese besonders robust gegenüber schwankenden Prozessbedingungen, was sich positiv auf den Schadstoffabbau auswirkt. Aus den Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass sich Lavasteine ideal zur Besiedelung mit schadstoffabbauenden Mikroorganismen eignen, da sie neben der großen Oberfläche eine regulierende Wirkung auf den pH-Wert besitzen und zudem essentielle Spurenelemente für die Zellen zur Verfügung stellen. Zur Erleichterung der Inbetriebnahme industrieller Biorieselbettreaktoren wurde darüber hinaus ein Starter-Kit entwickelt, das Mikroorganismen in sprühgetrockneter bzw. verkapselter Form enthält, wobei diverse Schutzsubstanzen für eine optimale Langzeitstabilität sorgen.

Experimente mit einer Pilotanlage, die im Rahmen des Projekts entwickelt wurde, zeigen, dass die Abluftreinigung auch im größeren Maßstab einwandfrei funktioniert. Ein speziell angefertigter Modellgeflügelstall ermöglichte zudem die Simulation realistischer Scharrbewegungen unter Verwendung 3D-gedruckter Hühnerfüße. Durch Zusatz von Weichholzspänen als Einstreu in Verbindung mit Hühnertrockenkot konnte die Staubentwicklung unter verschiedenen Bedingungen erforscht werden. Dabei wurde festgestellt, dass die bodennahe Absaugung zu einer deutlichen Reduzierung der Partikelkonzentration in der Stallluft führt. Die Tiere sind somit einer geringeren Feinstaubbelastung im Vergleich zur konventionellen Deckenabsaugung ausgesetzt.

Einstreu und Hühnertrockenkot im Modellgeflügelstall © Julian Eckert
3D-gedruckte Hühnerfüße im Modellgeflügelstall © Julian Eckert

Positive Beeinflussung des Tierwohls

Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass das neuartige Belüftungssystem für einen höheren Sauerstoffanteil in der Luft sorgt und gleichzeitig die Konzentration von Schadstoffen in unmittelbarer Nähe der Hühner reduziert. Dadurch wird das Tierwohl positiv beeinflusst. Möglicherweise wird auch die Fleischqualität mithilfe der novellierten Luftführung im Geflügelstall verbessert.

Reststoffströme aus dem biologischen Abbauprozess wie überschüssige Biomasse lassen sich unter Berücksichtigung des Leitbildes der Bioökonomie verfahrenstechnisch aufbereiten und verwerten, beispielsweise in Form von Tierfutter oder Düngemittel. Des Weiteren kann auch Hühnerkot aus dem Stall als Substrat für die Mikroorganismen eingesetzt werden und zusätzlichen Stickstoff im Falle eines Nährstoffmangels liefern. Insgesamt stellt das entwickelte Biorieselbettreaktorsystem somit eine vielversprechende, nachhaltige Technologie zur Reinigung der Abluft von Mastgeflügelställen dar. Die Forschungsergebnisse sind jedoch auch für weitere Industriezweige mit gesellschaftlicher Bedeutung relevant, bei denen Ammoniak als Schadstoff anfällt, z. B. für die Abwasserreinigung.

Hühnerfuß als 3D-Modell (Ansicht von unten) © Alexander Preißler
Hühnerfuß als 3D-Modell (Ansicht des Querschnitts von der Seite) © Alexander Preißler

Handlungsempfehlungen

Zur Verbesserung des Tierwohls wird die Implementierung einer bodennahen Absaugung bei Mastgeflügelställen empfohlen. Bestehende Abluftreinigungsverfahren könnten schrittweise durch die entwickelte biologische Technologie ersetzt werden, um eine nachhaltige Alternative zu konventionellen chemischen und thermischen, energieintensiven Verfahren zur Verfügung zu stellen. Im Sinne der Zero-Waste-Economy wird außerdem die Aufbereitung und Verwertung von Reststoffströmen empfohlen, die bei Mastgeflügelställen bzw. dem entwickelten biologischen Abluftreinigungsprozess anfallen. Überschüssige Biomasse kann beispielsweise als Substrat bzw. Düngemittel für Pflanzen oder als Tierfutter eingesetzt werden, sodass ein ressourcenschonender Stoffkreislauf geschaffen wird.

Promotionen

Anwendung von Mikroorganismen in Biorieselbettreaktoren zur Reinigung industrieller Abluftströme

Promovierende Person
M.Sc. Julian Eckert
julian.eckert@hswt.de
Forschungsschwerpunkt
Weitere Forschungsfelder
Zeitraum
01.10.2020 – 31.12.2024
Wissenschaftlich betreuende Person (HSWT)
Prof. Dr. Sabine Grüner-Lempart
Wissenschaftlich betreuende Person (extern)
Prof. Dr. Ruth Freitag

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